Date Posted:14:52:43 01/08/02 Tue Author: chris Subject: ameisen
ok, also. erst mal überlegen. irgendwas will ich loswerden. mein kopf blockt mal wieder. ich sollte was tun heute, sollte dasitzen und meinen arsch hochkriegen, um für mein bürgerliches leben die pflichten zu erfüllen.
allerdings weiss ich leider überhaupt nicht mehr, was ich noch will. der einzige grund, warum ich mich immer wieder durch diesen prozess quäle, ist tarnung. bloß nicht auffliegen! es gibt niemand, mit dem ich darüber reden könnte, wie es tatsächlich aussieht - außer ihr.
hier kann ich sagen was ich denke, ausspucken was mir aufstößt und muss mich nicht verstecken. absurd ist das, denke ich manchmal, wenn ich darüber nachdenke, dass dies hier ein virtueller treffpunkt ist. ich bin nicht oft hier, eher phasenweise, weil ich mich immer wieder zwinge, meinen verdrängungsmechanismus einzuschalten, um in der realen welt nicht aufzufallen. ich frage mich oft, wie lange ich das noch durchhalte, bevor es zum chaos kommt.
leider bin ich zu feige geworden, mich zu töten, bzw. weiß ich nicht mal mehr in dieser angelegenheit, ob ich das noch will. es ist eher so, dass ich von einer anderen welt, einem anderen leben träume. ich fühle mich nicht wohl in dieser welt. gern wäre ich lieber vor 200 jahren im busch geboren worden, im einklang mit der natur. diese welt macht mich wahnsinnig. alles dreht sich um wirtschaften und politik. die leute haben nichts anderes im sinn. und dabei sind sie so blind geworden. wo ist denn nun das eigentliche ziel? die große verheissung ist ausgeblieben. wir haben autos, technik, mallorca-urlaube, nachtisch, alkohol, weihnachtsgeschenke, imbissbuden, kino, freien sex, haustiere, dosenessen, jahrmärkte, versicherungen, gartenzäune, mode, drogen, discotheken und sofas.
aber wozu? ich sehe die kleinen ameisen morgens in ihren autos an der ampel stehen, stumpf durch die scheibe ihrer fahrenden kabine schauend verfolgen sie das ziel der arbeit. arbeit für geld. geld zum leben. oder geld zum vegetieren? wo ist der sinn? ich meine: wo ist das grosse ziel? eine neue talkshow hier, ein neuer bundeskanzler da. ein flugzeugabsturz, ein kleiner krieg in einem land, das uns egal ist, ein reform, steuererhöhungen, dann wieder mal ein musiksender, eine comedyshow oder ein paar tote am anderen ende der welt. ja, wir müssen alle arbeiten. nachrichten sind ja so wichtig, die politik ist unser interesse. wir wollen leben, nein - kaufen. wir kaufen das leben. oder wir glauben, dass man es kaufen kann. wie steht der DAX? wichtig ist das alles. ich brauche eine neue versicherung. "übrigens habe ich mir auch t-online aktien gekauft, herbert... - achja? weisst du, die neuen märkte bla bla bla"
"und was haben sie nach ihrem studium gemacht?", "komm, nimm' doch noch etwas von dem salat - der ist aus ökologischem anbau", "ich zahle für mein fitnesscenter 70 mark im monat, und du?"
was? ich verstehe nicht. was wollt ihr? ich gehöre nicht dazu. das ist eure welt, aber nicht meine. denn es ist nicht das leben. aber ihr wisst es nicht. das weiss nur ich und die anderen, die ihr dazu gebracht habt, sich das leben nehmen zu wollen. ihr habt sie so sehr geblendet, dass sie glauben, sie hätten ein problem. doch die wahrheit sieht anders aus. es gibt nämlich keine, es gibt nur die eigene. und unsere wahrheit ist ok, aber ihr tut so, als sei realismus eine traumwelt. in euren augen sind wir träumer, in unseren einfach nur mensch. ihr wollt uns vergessen machen, wer wir sind. manchmal schafft ihr es und es geht wieder einer.
ich bin traurig, dass es hier keinen ort gibt, an dem leben etwas zählt. in wahrheit ist hier niemand suizidgefährdet. es ist nur so, dass ihr da draussen, ihr vielen kleinen arbeitsameisen, ihr diener der wirtschaft, diener des fernsehabends, diener eurer lebensversicherungsgesellschaft, dass ihr schon lange tot seid und wir die einzig lebenden sind. und weil erkennen in eurer welt leiden heisst, müssen viele von uns flüchten. es gibt einfach zu viele ameisen in diesem wald, die nur ihren hügel sehen können.
