Text: Krankenbericht -- *Sinnlos~Forum*

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Date Posted: 14:06:16 12/04/01 Tue
Author: DarkScar
Subject: Text: Krankenbericht

KRANKENBERICHT

4 November 1864

Heute erhielt ich vom Superintendenten die Best�tigung, dass ich eine sehr bek�mmerte, schwierige Patientin in meine Obhut bekommen solle. Zweifelhafte Ehre ! Sie heisst Alice, und die Prognose ist nicht sehr vielversprechend. Nachdem ich einen Blick in ihre Akte geworfen habe, wundere ich mich, dass sie �berhaupt noch am Leben ist. Sie liegt nun seit beinahe einem Jahr im Koma.

H�tte ich sie als Patientin angenommen, wenn ich gewusst h�tte, was ich heute weiss ?

11 November 1864

Das M�dchen liegt stumm auf der Streckbank, den Kopf seltsam bandagiert, und dennoch scheint sie sich mit aller Kraft ans Leben zu klammern. Ihre Verbrennungen sind in dem Jahr, das seit dem Brand vergangen ist, unerwartet gut verheilt, aber sie weist eine tiefe, trance�hnliche Demenz auf. Es ist, als haben die Flammen die meisten ihrer Sinne mit allem anderen verschlungen. Alice zeigt auf keinerlei Reize Reaktionen. Niemand passt besser in die d�stere Welt dieser Krankenstation als sie.
In einem unbedachten Moment sprang eine Krebsbefallene Katze auf Alice, als das M�dchen hinausgetragen werden sollte. Die Pfleger erschraken, als die Katze maunzte, und verloren den Halt. Das arme M�dchen fiel auf den Boden. Seltsamerweise stellte sich die Katze auf Alice, als w�rde sie auf ihr Territorialrecht pochen oder einen auf der Jagd erlegten Nager verteidigen. Erst als ein Pfleger sie mit einem Stock bedrohte, sprang sie in die n�chste Hecke. Selbst dann duckte sich die Katze im Geb�sch. Sie richtete ihren hingebungsvollen Blick auf Alice, als h�tte sie ein ganz pers�nliches Interesse an unseren Handlungen.

Es zahlte sich aus, solchen Begebenheiten wie das Auftauchen der Katze Beachtung zu schenken - das habe ich �ber die Jahre gelernt. - 21/10/1873

14 November 1864

Alles, was sie besitzt, ist ein Spielzeug, ein russiges, abgewetztes Kaninchen mit nur einem Knopfauge, das an einem losen Faden h�ngt, ein Spielzeug auf ihrer unbeschwerten Kindheit. Nun wacht das Kaninchen �ber Alices fortschreitende Demenz.

Das Kaninchen kann als wertvolles Instrument zu Schocktherapie dienen. Das h�tte ich fr�her erkennen sollen. - 21/10/1873

8 Dezember 1864

Wenn ich ihr eine Flamme vor die Augen halte, zeugt nichts in ihrem Blick auch nur von der geringsten Reaktion. Ich klatsche neben ihrem Ohr in die H�nde. Nichts. Weder ihr Sehrverm�gen noch ihr Geh�r sind beeintr�chtigt, dennoch registriert sie nichts. Das von Reverend Motte und anderen verbreitete Ger�cht, sie f�hle auch nichts - weder Schmerz, noch Furcht oder andere Leiden - ist weder glaubw�rdig noch nett. Trotzdem ist sie weit, weit weg.

10 Dezember 1864

Obwohl sie schwach erscheint, muss sie eine �usserst robuste Konstitution haben, da sie bis jetzt �berlebt hat. Ihr Fieber l�sst nicht nach; ihre Atmung ist schwer, und selbst nach einem Jahr verbreiten ihr die massiven Verbrennungen noch so grosse Schmerzen. Man vermutet nicht, dass sie elend ist, so reglos, wie sie daliegt. Aber ich werde sie aus ihren Tr�umen aufwecken, selbst wenn die Reaktion unfreiwillig ist.
Morgen werde ich beginnen, sie mit kalten Pflastern und Aderlass zu behandeln. Der Aderlass mag ihrer Demenz einige Erleichterung verschaffen. Ausserdem habe ich einen neuen Schockapparat, den ich an ihr ausprobieren m�chte. Ich bin neugierig, wie sie darauf reagiert.

6 Januar 1865

In der vergangenen Nacht ist eine andere Patientin gestorben, die ich mit dem Mittel behandelt habe, das ich auch an Alice ausprobieren wollte. Ich war �berzeugt, dass sich ihr Zustand mit jeder Verabreichung verbessere, daher war diese Entwicklung sehr niederschmetternd. Vielleicht war die st�rkere Mischung zu stark f�r ihre chronisch geschw�chte Brust. Bevor ich das Serum an Alice verabreiche, muss ich es noch weiter erforschen.

Etwas weniger Laudanum und etwas mehr Kampher, dann w�re sie noch am Leben. - 13/12/73

23 Februar 1865

Durch die Fenster meines Labors kann ich die Schwestern im Garten sehen. Schwester D f�hrt eine Gruppe von Kindern zum Luftschnappen. Ich h�re die schlurfenden Schritte auf dem Kiespfad. Ich frage mich, ob Alice jemals mit den anderen dort herumlaufen wird. Wird sie jemals ihre Sinne wiedererlangen ? Oder wird sie den Rest ihrer Tage hinter diesen dicken, grauen W�nden verschanzt bleiben ? Ihr derzeitiger Zustand gibt wenig Grund zur Hoffnung auf Heilung.

Ich konnte ja auch nicht ahnen, dass sie in ihrem Geist unvorstellbare W�lder und G�rten durchstreifte. - 27/01/1874

23 M�rz 1865

Nichts scheint das M�dchen zu ver�rgern. Ich versuche es mit Ruhigstellen - Handschellen, Beingurten und Zwangsjacken. Als Kontrast liess ich sie die Freiheit schmecken und liess sie einige Stunden ohne Aufsicht im Garten. Aber auf nichts zeigt sie die geringste Reaktion. Ich habe noch einige Methoden in petto, manche davon habe ich schon lange nicht mehr angewandt, aber ich habe kaum noch Hoffnung, dass irgendetwas anschlagen wird.

1 April 1865

Jedes Jahr halte ich an diesem Tag inne, um 12 Uhr mittags haargenau, um �ber die Absurdit�t einen solchen Tages nachzudenken. Ist es nicht Ironie an sich, an einem solchen Tag an einem solchen Ort Scherze zu treiben ?
Das M�dchen hat sich v�llig abgekapselt. Wenn es m�glich w�re, w�rde ich behaupten, Alice h�tte sich noch weiter in ihre - wie europ�ische Psychiater es nennen - Psyche zur�ckgezogen. Ich probiere immer noch verschiedene Methoden aus, aber keine schl�gt an. Daher habe ich keinen Grund zur Hoffnung. Ich w�rde die Fortschritte aufzeichnen, wenn es denn welche g�be.

7 September 1873

Nach Jahren in Koma teilt sie uns heute etwas mit einem Bild mit, einer Zeichnung von einer Art Katze. Allerdings habe ich noch nie so eine Katze gesehen.

Nicht einmal eine solch bizarre Zeichnung liess uns vermuten, was in dieser Hinsicht noch auf uns zukommen sollte. - 29/03/1874

10 September 1873

W�hrend Alice nach der Verabreichung ihres Beruhigungsmittels ein Nickerchen hielt, n�hte Schwester D dem Kaninchen das fehlende Auge an. Selbst nach so vielen Jahren unter geistig Verwirrten kann es mich noch erstaunen, dass eine scheinbar so triviale Handlung eine so grosse Wirkung erzielen kann.
Alice erwachte aus ihrem Schlummer und begann, hysterisch zu schluchzen.
"Sprich, mein Kind, was fehlt dir ?", flehte Schwester D. "Was ist denn, Liebes ?"
In einem Zustand von Halbbewusstsein sprach Alice folgenden Vers:

"Im Erdenbau erneut, so eilten wir des Wegs ohn' Unterlass.
In einem einst so sch�nen Garten, versunken nun im Hass."

Sie weinte, und erst, als Schwester D das gerade angen�hte Auge vom Kopf des Kaninchen riss, fiel Alice wieder in ihre Bewusstlosigkeit zur�ck.

Vielleicht war es ein Fehler, sie zu wecken und diese Reaktion zu provozieren. - 29/03/1874

Ich weiss nicht, ob ich mich �ber diese Reaktion freuen soll oder ob mich die Intensit�t ihres Ausbruchs beunruhigen soll. Eines wissen wir jedenfalls jetzt: Sie kann sprechen.

11 September 1873

Wenn sie m�chte, kann sie zeichnen. Heute Morgen �berraschte sie mich mit einer neuen Phantasterei. Aber was stellt ihre Zeichnung dar ? Mir erscheint es wie ein Abbild eines Alptraumes in der H�lle.

15 Oktober 1873

Als ich mich Alices Zimmer n�herte, h�rte ich leises Lachen. Ein paar Kadetten �rgerten sie und schlugen sie mit Lederb�ndern. Dies Gesch�pfe sind geistig auch nicht viel Ges�nder.
Alice reagierte nicht auf ihre Neckereien, und die Kadetten liessen sich nicht von meinem Tadeln beeinflussen. Wahre Hilfe findet man selten.

18 Oktober 1873

Der Superintendente stattete uns einen Besuch ab. Der Geruch seines parf�mierten H�ndedrucks h�ngt mir immer noch in der Nase. Es besucht uns nicht sehr oft, aber wenn, dann bleibt er immer ewig lange. �blicherweise l�uft er dann durch jeden Teil der Klinik und gibt vor, sich f�r diesen oder jenen Fall zu interessieren. Diesmal wollte er Alice sehen und fragte nach den Blutegeln. Als sie sich weigerte, sich zu r�hren, riss der Superintendente seinen Mund weit auf und g�hnte in unendlicher Langweile.
Als ich ihm ihre Zeichnungen zeigte, war sein Interesse pl�tzlich wieder geweckt, gerade so, als h�tte jemand seine fettige Hand mit einem heissen Sch�rhaken ber�hrt.

Er war sehr aufgeregt, als er uns verliess. - 07/04/1874

24 Oktober 1873

Schwester D hat an der T�r gelauscht. Alice scheint unkontrolliert vor sich hin zu murmeln. Obwohl niemand versteht, was sie sagt, sind ihre Worte eindeutig an das ein�ugige Kaninchen gerichtet.

26 Oktober 1873

Ihr Fall ist nicht aussergew�hnlich ... verglichen mit den zahllosen anderen Patienten, die in diesen Hallen hausen. Ich m�chte ihre Trag�die nicht verharmlosen - die Belastung ist ausreichend, um jeden Geist unermesslich zu ersch�ttern. Man stelle sich nur die erb�rmlichen Schreie ihrer Eltern vor, die in ihrem brennenden Schlafzimmer gefangen waren, und das Gef�hl der Machtlosigkeit angesichts ihres Leids. Sicherlich hat Alice diese Schreie geh�rt. Ich bin sicher, sie h�rt diese Schreie seit zehn Jahren.

Ich weiss jetzt, dass ich meine Bemerkung zur�cknehmen muss. Ihr Fall ist aussergew�hnlich. - 07/04/1874

3 November 1873

Ich h�re das Ticken der Uhr. Es ist bereits nach Mitternacht - und pl�tzlich h�re ich seltsame Ger�usche. In der Stille der Klinik muten diese Ger�usche sehr lebendig an. Alice r�hrt sich nicht, also lausche ich den Schreien, dir mir durch Mark und Bein dringen, dem irren st�hnen, dem unertr�glichen Gemurmel und dem irren Geschwafel.
Nach anf�nglichen Kr�mpfen ist Alices K�rper nun wieder erschlafft. Wenn sie sich nicht ab und zu im Schlaf r�hren w�rde, w�rde ich ihr einen Spiegel vor den Mund halten, um zu sehen, dass sie noch atmet. Es ist unm�glich, zu verstehen, was sie sagt. Es h�rt sich an wie "zu dumm", "Kuhjung" oder "Boojum". Was f�r ein Unsinn. Ist das ein Eigenname ? Ein Ort ? Oder einfach eine Beschw�rungsformel im Delirium ? Ich schreie ihr dieses Wort ins Ohr und steche ihr mit Nadeln in die Schultern - sie jappst, aber sie spricht nicht deutlicher.

Boojum ! Aber woher hat sie solche Phantasien ? - 11/04/1874

Der Trank fliesst durch ihre Adern. In diesem kalten Raum zu sitzen, erinnert mich an die letzte Behandlung hier. Die zerfetze Polsterung erinnert mich an den Patienten, der glaubte, Ratten spr�chen mit ihm. Sie lebten in dem Polster, behauptete er. Tats�chlich glaubte er, die Geister seiner Vorfahren seien in die Ratten gefahren. Nach dem Hirneingriff verschwanden diese Wahnvorstellungen, und er konnte wieder in den Schlafsaal gebracht werden.
Alice ist immer noch ruhig.

21 November 1873

Wieder treiben die Kadetten ihre b�sen Sp�sse. Sie sind es m�de, Alice zu f�ttern, und "k�mmern" sich nun lieber um das Kaninchen und kleckern ihm Haferbrei auf das Stoffgesichtchen.

Mein Verdacht hat sich best�tigt. Diese Flegel sind die missratenen Neffen des Superintendenten. - 13/04/1874

W�hrend sie das Stofftier f�tterten, lernten die Kadetten eine grundlegende Lektion des Kliniklebens - kehre einem Patienten niemals den R�cken zu ... auch wenn das jetzt belehrend klingt.
Wie ich erfuhr, erwachte Alice aus ihrer Bewusstlosigkeit und griff die beiden Kadetten an. Erz�rnt attackierte sie sie mit einem L�ffel. Selbst in ihrem geschw�chten Zustand konnte sie ihnen tiefe Wunden zuf�gen. Sie f�hrte den L�ffel wie ein Schlachtmesser und stiess es in die fleischige Wange eines der Kadetten. Mitten in der Attacke richtete sie ihn gegen sich selbst, bearbeitete ihre Handgelenke und versuchte, die Venen zu �ffnen. Ich n�hte ihre Wunden und verband sie ordentlich. Alice leidet nun nicht mehr - aber ob man das auch �ber die Kadetten sagen kann, ist fraglich.
Sie ist wieder bewusstlos. Ganz gleich, was ich tue oder sage, sie zeigt keine Reaktion.

7 Dezember 1873

Wir k�nnen eine kleine Ver�nderung verzeichnen. Ihr Mund ist entspannt, und wir k�nnen sie ohne Gewalt f�ttern. Wenn es Zeit ist f�r ihre Arznei, �ffnet sie freiwillig ihren Mund, ganz als wolle sie den Trank in ihrem Bauch willkommen heissen.
Das ist kaum nennenswert, aber jeder Fortschritt z�hlt.

8 Dezember 1873

Eine magere Katze leckte Alice die Wange. Sie fauchte, als ich zur T�r hereintrat, und sprang auf das Fensterbrett. Sie bestand nur aus Haut und Knochen, denn sonst h�tte sie unm�glich durch die Gitterst�be gepasst. Ich konnte ein Grinsen auf ihrem r�udigen Gesicht erkenne. Es ist seltsam, aber manchmal erscheint einem das Gesicht eines Tieres beinahe menschlich.
Es gibt so viele wilde Katzen im Hof. Es w�rde mich nicht wundern, wenn es hier mehr Katzen als Patienten gibt.

Die Katze erinnert mich an die, die bei Alices Ankunft auf ihre Brust gesprungen war. Allerdings ist sie noch magerer. - 26/04/1874

13 Dezember 1873

Vielleicht hat draussen etwas ihre Phantasie angeregt. Als sie wieder hereinkam, machte sie eine sonderbare Zeichnung. Wieder einmal beweist sie, dass sie mehr kann als herumliegen und an die gelbgestrichene Decke starren.

Bisweilen flackerte in ihrer Verr�cktheit der Geist eines Genies auf. - 26/04/1874

15 Dezember 1873

Es sind nun drei Tage her, dass ich das Kaninchen aus dem Zimmer entfernt habe. Alices Schreie hallen immer lauter durch die verschlossene T�r.

25 Dezember 1873

Sie ist wieder in ihren trance�hnlichen Zustand zur�ckgefallen - mit einem Unterschied: Ihr Mund �ffnet sich sehr weit, wenn jemand das Zimmer betritt. Was auch immer sie verlangt, die Arznei oder Essen, sie kann nicht genug davon bekommen.

Ich kann nicht verstehen, was sie mit ihrem st�ndigen "Iss mich" und "Trink mich" sagen m�chte. - 23/07/1874

17 April 1874

Monate sind vergangen, aber es passiert nichts.
Schwester D hat die Geduld verloren. Sie kann meine Behandlungsmethode nicht mehr ertragen und besteht darauf, ihre eigenen anzuwenden. Sie n�hte das Kaninchen zusammen und steckte es zu Alice ins Bett.

18 April 1874

Interessante Entwicklung ! Alice hat das Geschenk erwidert und Schwester D zum Dank ein Kaninchen gezeichnet, das allerdings etwas anders aussieht als ihr Kuscheltier.

Meine Uhr ? - 10/05/1874

1 Juni, 1874

G�nzlich unerwartet und erschreckend wie ein pl�tzlicher Blitzschlag an einem azurblauen Himmel begr�sste mich Alice heute mit einem seltsamen Grinsen.
Und pl�tzlich begann sie mit mir zu plaudern, als h�tten wir jahrelang nichts anderes getan. Ich f�ge zur Beweisf�hrung ein paar Bemerkungen an, damit ich nicht der einzige bin, der sie kennt.
"H�te dich vor des Schneckenhais giftigem Speichel . . . wirf den Teufelsw�rfel weise, denn damit entscheidet sich das Spiel ... bedenke, dass der Tausendf�ssler am Unterbauch empfindlich ist ... Erlabe dich an den Pilzen - aber gib Acht - manche beissen zur�ck."
Leider kann ich diese Monologe nicht wirklich als Verbesserung bezeichnen.

2 Juni, 1874

Sie lebt ein einer Welt voller Gewalt, Terror und Blutvergiessen. Ihre Verwirrung ist so gross, so phantastisch und absurd, dass ich ihr manchmal kaum zuzuh�ren vermag. Sie erz�hlt von einem Alptraumhaften Reich, in dem alles vom Untergang gezeichnet ist. Riesige Ameisen und fleischfressende Pflanzen, alles verschlingende Fische und feuerspeiende Biester bev�lkern diese Welt. Die Vielfalt dieser teuflischen Kreaturen ist grenzenlos. Sie �bertreffen selbst Hieronymes Boschs entsetzlichsten Triptychon in ihrer Schrecklichkeit.
Es ist, als gr�be ich in der W�ste nach Wasser. Nun, da das Wasser zu fliessen beginnt, kann ich den Strom nicht aufhalten, aber auch die Quelle kann ich nicht finden.

7 Juni, 1874

Sie �ffnet sich mir immer mehr. Sie redet unentwegt vor sich hin. Ich denke, das Elixier ist nun korrekt dosiert. Bisweilen scheint sie meine Gegenwart zu f�rchten, aber sie spricht dennoch weiter, als k�nne sie nicht anders.

8 Juni, 1874

Sie verbrachte den ganzen Nachmittag damit, mir eine Geschichte von einer schrecklichen Belagerung zu erz�hlen. Darin kamen auch lebensgrosse Schachfiguren vor. Anscheinend wurde sei von einem zyklopenhaften Bauern gejagt und geriet auf ihrer Flucht �ber das lebendige Schachbrett in die F�nge zweier abtr�nniger T�rme.
Wie gew�hnlich war ihre Schilderung sehr lebendig. Die Geschichte war entsetzlicher als alles, was Froissart jemals verfasste.

11 Juni 1874

Ich war nur kurz eingenickt. Beim erwachen sah ich, dass Alice ihre H�nde befreit hatte und sich nun an meiner Uhr zu schaffen machte. Vielleicht muss ich der n�chsten Sitzung Handschellen verwenden, zumindest bis sie sich ordentlich betr�gt. Ich nehme ihr auch ihre Stifte ab. Wir wollen sehen, ob diese Bestrafung irgendeine Reaktion hervorruft.

12 Juni 1874

Ich h�tte es vorhersehen m�ssen. In Ermangelung ihrer Stifte verlegt sie sich aufs Dichten.

"Wohlan, zum Ziele sterben wir, dem Kampf entgegen.
Mit Hansenbomb' und allerlei sorg ich f�r freien
Lauf auf allen Wegen"

Ich bat sie, die "Hasenbombe" zu beschreiben. Klug wie sie ist, forderte sie dazu ihren Stift zur�ck und begann zu zeichnen.

15 Juni 1874

Bisweilen ist sie w�hrend ihrer Monologe ganz klar. Bei manchen m�chtigen Worten bricht ihre Phantasiewelt wieder vollkommen �ber sie herein. Bei dem Wort Feuer verf�llt sie verst�ndlicherweise in grenzenlose Trauer.

Ihre Worte k�nnen klar sein, aber ihre Zeichnungen zeigen keinen Fortschritt. - 20/07/1874

17 Juni 1874

Alice schleuderte eine Teetasse durch den Raum.
"Wie oft soll ich es dir noch sagen ? Ich trinke nur mit Freuden Tee !"

18 Juni 1874

Bisweilen kann sie sich sehr zivilisiert benehmen. Einen Moment darauf legt sie eine ausserordentliche Boshaftigkeit an den Tag. Als Experiment habe ich ihr jegliche Arznei entzogen. Nur die hohe Dosis Laudanum erh�lt sie, wenn ihre Laune sehr ausartet.

25 Juni 1874

Vielleicht w�rde eine Behandlung mit Salzwasser ihren Geist reinigen. Sie hat wirr gesprochen und sich besonders heftig �ber eine Person ausgelassen, die sie als Rote K�nigin bezeichnet.

Obgleich die K�nigin einen Grossteil der Monologe beherrscht, weigert sich Alice, die Monarchin zu zeichnen. Ihr Zorn kennt keine Grenzen, wenn sie beschreibt, was sie der K�nigin antun m�chte. - 20/07/1874

19 Juli 1874

W�hrend eines besonders heftigen Anfalls griff Alice eine der Schwestern an, die sie gerade badete. Sie nannte sie "Herzogin".

22 Juli 1874

Aus einer Unterhaltung mit Alice:
"Was hast du getan, Alice ?"
"Ich war auf einer Teezeremonie, was sonst ?"
"War es eine grosse Feier ?"
"Oh, sehr gross, lieber Doktor. Ich f�rchte nichts, und bald bin ich am Ziel."

25 Juli 1874

Sie schl�ft in der einen Nacht sehr unruhig, in der anderen wiederum wie ein Baby. Alles ist unvorhersehbar.

27 Juli 1874

Alice hat uns einen sonderbaren Reim aufgesagt.
"Sie qu�len mich und sagen stets, ihr Tod sei mein Versagen.
Ich schneide sie mir auf dem Geist mit meinem Schwert seit Tagen."

28 Juli 1874

Sie hat k�rzlich von einem Ort namens Pilzwald gesprochen. Dies scheint ein Wald mit Pilzen von der Gr�sse riesiger B�ume zu sein. Pilze und Bl�tter greifen nach allem, was den Wald betritt. In den vermoderten und verrotteten Schl�nden verwesen Kreaturen, die hier ihr Leben ausgehaucht haben.

Sie hat schon einmal ein Bild von diesem Ort gezeichnet, meine ich mich zu erinnern. - 02/08/1874

10 August 1874

Es f�llt mir schwer, die �usserst passive Alice mit der aggressiven, m�chtigen Person in Verbindung zu bringen, die sie in ihren Tr�umen beschreibt. Sie beschreibt K�mpfe mit Messern und Musketen; ihre Selbstdarstellung hat etwas von einer selbstlosen Heldin. Dies sind keine Verwirrungen. Das ist kein krankhafter Wahn - aber was ist es ?

Welches Bild hat sie denn von sich selbst ? - 24/08/1874

12 August 1874

"K�pft sie !"
Das waren heute ihre einzigen Worte. Sie erkl�rte sie nicht, obgleich ihr Gesicht den heftigen Zorn widerspiegelte, den sie nur im Zusammenhang mit der Herzk�nigin zur Schau trug.

13 August 1874

Ich habe alles getan, was mir eingefallen ist. Behandlungen, Arzneien, Disziplin und Vergn�gen - mit nichts erziele ich eine Verbesserung. Alice spricht wann und wor�ber sie m�chte, rezitiert Gedichte mit ausserordentlicher Geistesklarheit, zeichnet Bilder. Sie tut nichts auf mein Geheiss hin, sie ignoriert meine Anweisungen, Bitten und Aufforderungen. Sie ist sehr willensstark. Was auch immer ich tue - sie reagiert nicht darauf.
Ich muss jedoch gestehen, dass mich ihre Phantasiewelt, das Wunderland, in seinen Bann gezogen hat. Ich warte auf den Tag, an dem sie den Sieg �ber die Herzk�nigin und ihre Schergen erringen, und das Wunderland wieder ein sch�ner Ort sein wird. Vielleicht wird das Alices Heilung sein. Vielleicht wird sie sich so selbst heilen, ihr Gleichgewicht wiederfinden und diesen schrecklichen Ort verlassen.
Manchmal erscheint sie mir so nah, an anderen Tagen wiederum ist sie so fern, dass ich f�rchte, sie wird den Rest ihres Lebens hinter den dicken Mauern von Rutledge's verbringen ... mit mir.

24 August 1874

"Wenn du mir meine Phantasie willst rauben schon.
Lehr ich mit meinem Spielzeug dich den rechten Ton."

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