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Subject: Expedition nach Deutsch-Sibirien, Teil 1


Author:
Ossifrancesco
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Date Posted: 17:17:10 11/22/02 Fri

Ay!
Als frischgebackener Kulturwissenschaftler i.A. mache ich mich jetzt, wo ich nach mehr oder weniger intensiver Eingewöhnungsphase mit dem Brauchtum und den alltäglichen Ritualen meiner neuen Heimat rudimentär vertraut bin, auch sogleich daran, die hier lokalen Eigenheiten im Vergleich zum südwestdeutschen Raum zu analysieren.

Halle an der Saale ist ein putziges kleines Städtchen in adretter Erscheinungsform und landschaftlich reizvoller Umgebung (Hoppla, huch, alles so flach hier!), alles schön überschaubar und zu Fuß zu erreichen. Horrorstories von Ruinen und immensen Plattenbausiedlungen erweisen sich schnell als bösartige Gerüchte, zumindest was die Altstadt betrifft (da gibt’s nämlich nur die Ruinen, die Platten befinden sich milliardenfach in Halle-Neustadt, wo man sich als idealistischer Wessi wohl besser niemals hinverirren sollte). Die Innenstadt ist vielmehr eine geschmackvolle und harmonische Anordnung von historischen und modernen Bauten, da saßen wirklich einmal richtig kluge Köpfe im Stadtplanungsamt! Die Saale ist trotz Leuna und Buna ein Fluss, der zumindest sauber aussieht, klares blaues Wasser und nicht so eine dreckige braune Plörre wie im Neckar, bevorzugt zu genießen an der sogenannten Peißnitz, einem riesigen Park direkt bei der Altstadt, der es locker mit Schlossgarten & Co aufnehmen kann.
Die Hallenser sind ein betriebsames Völkchen, immer am Einkaufen und Konsumieren, nix von wegen wirtschaftliches Schlusslicht in Deutschland, an jeder Ecke wird gebaut, saniert, renoviert, zementiert, asphaltiert ...was eigentlich schade ist, denn dank dem schönen Kopfsteinpflaster aus dem Mittelalter haben die paar Rotznasen, die dämlich genug waren, hier das Skaten anzufangen, ein paar hübsche Narben mehr im Gesicht.
Die heimische Bevölkerung ist im großen und ganzen hässlicher (Zitat Wibke/Münster: „Da habe ich die dollsten Kerle erwartet, und was mussten meine entsetzten Augen sehen? Die letzten Raupen!“), aber weniger fett als in Stuttgart, dafür sehr höflich und zuvorkommend. Erschreckend hoch ist die Zahl der „jungen Familien“, überall in der Stadt schieben Scharen von Mädchen, die mit Sicherheit noch keine 20 Lenze zählen, Kinderwägen spazieren. Als ob es hier nichts anderes zu tun gäbe...
Die Sprache klingt fremdländisch, aber verständlich (eine der ersten Lektionen, die ich nach einem winzig kleinen Tritt ins Fettnäpfchen gelernt habe: Man spricht in Halle nicht sächsisch, sondern Sachsen-Anhaltinisch! Jawohl! Macht ungefähr so viel Sinn wie zu behaupten, in Stuttgart spräche man baden-württembergisch).
Die Uni ist viel viel schöner und besser organisiert als in Stuttgart, nicht so überlaufen und mit etwa 400 Bibliotheken und einem Computerpool in jeder Ecke, etwa 20 Mensen (Mensas? Mensae?), Technik vom allerfeinsten, und das alles mitten in der Stadt (abgesehen von den Naturwissenschaften und Informatik, die hat man nämlich an den Rande von Halle-Neustadt gepfercht, wo sie meiner Meinung nach auch hingehören).
Die Studenten hier sind viel natürlicher und vernünftiger als im mondänen Stuttgart, sind kaum Freaks dabei, und selbst für kontaktscheue, intolerante Misanthropen (also solche wie mich) ist es absolut easy, Kontakte zu knüpfen. Nur die Studentenparties sind offenbar überall auf der Welt gleich schlecht. Aber immerhin, es gibt hier eine rege Community von Wessis, hautsächlich von ZVS und NC hierher getrieben, sogar einige Exilschwaben, mit denen und mit Linsen, Bockwurst und den Spätzle aus dem Edeka kann man sich hier also durchaus das Heimweh vertreiben.
Die Szene hier ist erstaunlich groß und vielseitig, d.h. es gibt auch am Samstagabend (oder Sonnabendabend, wie es hier genau genommen heißen müsste) um 9 noch genügend freie Plätze überall und man tritt sich nicht dauernd auf die Füße (und falls doch, dann ist man in 30 min in Leipzig und in einer Stunde in Berlin – wenn man ein Auto hat, was eigentlich nicht nötig ist, denn die Straßenbahn fährt a) alle zehn Minuten und b) die ganze Nacht hindurch, und wenn man einmal nicht mehr in der Lage sein sollte, den Fahrkartenautomaten zu bedienen, kann man auch locker nach Hause laufen.). Dank der obligaten Kneipenmeile, die eigentlich einmal quer durch die Innenstadt verläuft, kann man aber auch hier super abstürzen, und das alles zu Preisen aus der Zeit des real existierenden Sozialismus: ein Cocktail für € 3,50! Kaffee für € 1,20! Cola für € 1,50! Wo gibt’s denn noch so was! Spottbillig ist das alles hier! Und dank Supermärkten und Billigdiscountern mit solch ulkigen Namen wie „Niedrigpreis!“ oder „MäcGeiz“ kann man sich hier locker für ein paar Kröten einen ganzen Monat lang versorgen. Und weil jede Woche ein anderer Laden dichtmacht, kann man sich auch wunderbar im Räumungsverkauf neu einkleiden, um direkt danach Neueröffnungsangebote abzugreifen. Anderes Beispiel, ein Angebot von Tausenden: „Zimmer frei in netter 4er-WG, 25 qm, sanierter Altbau mit EBK, Waschmaschine, Kabelfernsehen, DSL, Zentralheizung, 3 min. zur Uni, für € 140,- warm“. Hähähähähähähähähä.
Ich bin im Studentenhimmel.

Fazit: Prima Voraussetzungen für das Studium von Dingen, die wirklich von Bedeutung sind!

In diesem Sinne: Grüße aus dem wilden Osten!

Und jetzt noch ein Aufruf in eigener Sache: Susan, wenn Du das nächste Mal in Pößneck bist, sag mir Bescheid, dann verabreden wir uns auf eine Tasse Blümchenkaffee und eine Tafel Bambina-Schokolade, nu klahr!?!

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Subject Author Date
Re: Expedition nach Deutsch-Sibirien, Teil 1alex12:12:40 12/16/02 Mon


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