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Date Posted: 11:26:06 01/02/02 Wed
Author: Morgenmuffel
Subject: über Todessehnsucht reden

In den letzten Tagen habe ich mit ganz vielen Leuten über ihre Suizidgedanken geredet, habe zugehört, nachgefragt, auch mal den ein oder anderen Tipp oder Anstoß gegeben zum nachdenken. Gerade über die Tage um Sylvester / Neujahr waren viele da, die selbst mit sich gerungen haben oder die nicht damit klar kamen einen Angehörigen durch Suizid verloren zu haben. Während diesen Gesprächen hatte ich eigentlich die nötige Distanz und dennoch bin ich unbemerkt über meine Grenzen gegangen, weil ich die Not gespürt habe und aus diesem Grund mehr Gespräche geführt habe als mir gut getan hat.
Über meine eigenen Kämpfe und Gedanken konnte ich nicht oder nur schwer reden. Ich spürte wieder dieses altbekannte Verstummen, eine wachsende Schwere, die auch durch diese Zeilen für mich spürbar ist. Gleichzeitig gab es aber auch Momente, in denen ich lachen, über den Alltag reden konnte, die waren auch nötig.

Sylvester war ein ungeheuer wichtiger Zeitpunkt für mich.
Einfach weil ich in den Jahren davor immer bewusst Resumée gezogen habe.
Fragen wie
- Was war in dem vergangenen Jahr?
- Mit was war ich zufrieden, mit was weniger?
- Was möchte ich verändern?
- Welche Ziele stecke ich mir?
- Wie geht es beruflich weiter?
die bekommen plötzlich eine ungeheure Macht, wenn man sie sich stellt in einer tiefen Depressionsphase, in der überhaupt nichts mehr funktioniert. In der das Bild von einem selbst auf dem absoluten Nullpunkt angekommen ist und alle Entwicklung stagniert oder sich sogar alles verschlimmert. Und das seit Wochen.

Hatte ich früher im Leben Krisen, dann waren die in der Vorweihnachtszeit beendet. Ich habe die Weihnachtsfeiertage und Sylvester in guter Erinnerung, wenn ich es so gestalten konnte wie ich wollte.
Und dieses Jahr war schon allein die Zeit davor unbeschreiblich.
Die Angst vor diesen Tagen, die ich ja auch als ganz normale Tage ansehen hätte können (aber der Trick funktionierte nicht), wuchs und wuchs. V.a. die Angst vor Sylvester, weil die Antworten auf meine Fragen denkbar schlecht ausfielen. Ich konnte nicht einmal mehr darüber schreiben, es nur wenigen andeutungsweise erzählen, war gefangen in einem Knäuel von Fragen, die sich richtig zwanghaft in mein Gehirn bohrten. Die Therapie brach ich in der Zeit ab, es wäre sinnlos gewesen, weil ich gar nicht mehr in der Lage war mich zu öffnen und Neues zuzulassen.

Gerade die Frage, ob ich diesen Zustand noch länger ertragen will, war ganz klar mit "Nein!!" beantwortet, aber ich war für die Konsequenz noch nicht bereit, das spürte ich auch.
Ich bekam den Hinweis, dass das ja nur ein Tag sei und dass meine Entscheidung doch nicht von einem gewissen selbst gesetzten Zeitpunkt abhängen müsste. Das stimmt, ich sah die Logik dahinter und dennoch hat dieses Datum seine Macht behalten. Einfach, weil es ein allgemeiner und auch von mir anerkannter Jahresabschluss ist. Und für mich die Vorstellung Horror ist, es könne so weiter gehen, wer weiß wie lange noch. Eventuell noch ein ganzes weiteres Jahr würde ich nicht schaffen, das ist mir klar.
Ich brauch eine Pause von meinen Gefühlen, möchte sie ausschalten und wenn es nur über Suizid geht. Kann sie kaum mehr ertragen.
Was mich verstummen lässt, ist immer noch die Tatsache, dass ich mich für meine Suizidgedanken anklage, nicht dazu stehen kann. Sie sind mir peinlich.
Aber diese Sprachlosigkeit treibt mich wieder in eine Isolation, die mir nicht gut tut. Gerade, wenn die Stimmung wieder sehr fröhlich ist, verstecke ich mich - manchmal hinter stundenlanger Stille, manchmal sogar hinter Zynismus oder Pseudohumor und hoffe, dass niemand etwas merkt.

Gestern ging es nicht mehr, brach alles zusammen.
Den ganzen Tag stand ich unter Druck, übernahm mich in Gesprächen und spürte meine eigene Todessehnsucht dermaßen wachsen, dass es mir speiübel war. Ich meinte, es würde mein Herz zerspringen und mein Kopf machte dicht.
Ich sprach über die Probleme anderer und wollte währenddessen innerlich einfach nur losgehen in die Berge, gewisse hilfreiche Materialien mitnehmen und nie wieder zurückkehren.

Als im chat wieder mehr Ruhe einkehrte, traute ich mich endlich in einem kleinen bekannten Kreis die Frage in den Raum zu werfen, wer diese körperlich kaum aushaltbare Todessehnsucht kennen würde. Ich wusste nicht, dass ich dadurch bei jemanden im Raum die eigene seit Wochen unterdrückte und unausgesprochene Sehnsucht wie eine Lawine lostreten würde. Er verabschiedete sich aufgewühlt für länger oder auch für immer, aber nicht so, dass man annehmen könnte, er würde es ohne chat probieren wollen weiter zu leben.
Ja, ich weiß (vom Kopf her), dass jeder für sich selbst verantwortlich ist, aber ich will nie schuld daran sein, dass ein anderer nicht mehr mit seinem Leben klar kommt nur weil ich ausgesprochen habe, was in mir gerade abläuft.

Ich weiß nicht mehr wie ich damit umgehen soll.
Spüre nun weiter die Mauer um mich wachsen, die verhindert, dass ich reden kann.
Es ist mehr, langsam will ich auch nicht mehr reden, mich dem nicht mehr stellen.

Sylvester hat für mich noch nicht aufgehört ...
Allmählich wird es Zeit aus diesem Alptraum zu erwachen.
Meine Kraft geht zu Ende.

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